Die Idee der Würdezentrierten Therapie – der Dignity Therapy – ist bereits mit der ersten Veröffentlichung der Forschungsarbeiten aus Kanada im Jahr 2009 auch in Deutschland auf großes Interesse gestoßen. Als erster deutscher Psychologe wurde Dipl.-Psych. Jochen Spang vom Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart in San Diego (CA) von Harvey M. Chochinov in der Würdezentrierten Therapie ausgebildet. In Frankfurt interessierte sich das Institut für Palliativpsychologie von Dipl.-Psych. Jan Gramm und Dr. Daniel Berthold für die Intervention und veröffentlichte erstmals eine deutsche Publikation zum Thema. Schließlich fand auf Initiative von Professor Dr. Martin Weber im November 2014 in Mainz die Fachtagung „Würde und existenzielles Leid am Ende des Lebens“ statt, auf der Professor Harvey M. Chochinov zum ersten Mal in Deutschland über seine Forschungsarbeiten und seine Erfahrungen in Palliative Care sprach.
In Deutschland beschäftigen sich inzwischen zahlreiche Kolleginnen und Kollegen mit der Würdezentrierten Therapie.
SeLeP – Selbstbestimmtes Leben im Pflegeheim. Die Würde des pflegebedürftigen Menschen in der letzten Lebensphase
Projektlaufzeit
02/2019 bis 04/2021
Auftraggeber
Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
Projektleitung
Prof. Dr. Werner Schneider (Soziologie)
Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl (Moraltheologie/Ethik)
Projektkoordination
Dr. Stephanie Stadelbacher (Soziologie)
Projektbeschreibung
Das Pflegeheim ist eine wichtige Versorgungseinrichtung und für viele ältere Menschen der zentrale Lebensort. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben dabei ganz individuelle Vorstellungen, wie sie ihren Alltag gestalten möchten. Selbstbestimmung und ein würdevoller Umgang miteinander sind aber auch für die Beschäftigten in stationären Pflegeeinrichtungen von enormer Bedeutung. Angesichts eines oft hektischen Pflegealltags stellt sich deshalb immer wieder die Frage, wie Heime ihre Pflegepraxis ausrichten können, damit den Bewohnerinnen und Bewohnern ein möglichst gutes und selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird. Diese Frage untersuchte das vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Forschungsprojekt „Selbstbestimmtes Leben im Pflegeheim (SeLeP)“ der Universität Augsburg.
In dem interdisziplinär ausgerichteten Projekt ging es darum, was unter einem würdevollen, selbstbestimmten Leben im Heim verstanden wird, wie eine Kultur der Sorge im täglichen Miteinander gelebt werden kann und welcher Organisationsstruktur bzw. -kultur es hierfür bedarf.
Dazu haben die Forscherinnen und Forscher von der Organisationsstruktur und ‑kultur über das tägliche Miteinander in den Einrichtungen bis hin zur Perspektive der An-/Zugehörigen viele Aspekte in den Blick genommen.
Ein zentrales Ergebnis des Projektes ist ein modular aufgebautes Schulungskonzept, das der Vermittlung von Wissen zu Selbstbestimmung und Würde dienen und das tägliche Miteinander im Pflegeheim verbessern soll.
Auf der Webseite des Projektes sind weitere Informationen zum Projekt, den Forschungsergebnissen sowie zum Schulungskonzept zu finden.
Erzählen(d) über den Tod hinaus: Eine ethnografische Studie über das Transformieren von generativen Erzählungen in der Würdezentrierten Therapie
Dr. phil. (des.) Andrea Züger
Promotionsprojekt an der Justus-Liebig-Universität Gießen
Gegenstand der Würdezentrierten Therapie (WzT), eine psychologische Kurzintervention, die für Menschen mit einer lebensverkürzenden und lebensbedrohenden Krankheit konzipiert wurde, ist ein autobiografisches Interview, basierend auf spezifischen Leitfragen, die würdebewahrende Ressourcen aktivieren sollen. Die so entstehenden biografischen Erzählungen werden per Tonträger aufgezeichnet, transkribiert, durch die Therapeut_innen editiert und den Patient_innen vorgelesen, damit sie letzte Änderungen anbringen können. Am Ende entsteht ein schriftliches „Generativitätsdokument“ (Chochinov 2017), das die Patient_innen ihren Angehörigen weitergeben können. Ziele dieser Intervention sind die Linderung psychosozialer und existentieller Not und die Stärkung des Würdegefühls. Zudem soll die Intervention Angehörige unterstützen.
Während sich die Forschung rund um die WzT bislang auf Akzeptanz/Zufriedenheit (z.B. Bentley u.a. 2014b), Adaption (z.B. Mai u.a. 2018), Durchführbarkeit (z.B. Goddard u.a. 2013) und Wirksamkeit (z.B. Hall u.a. 2013) konzentriert, fehlt eine Offenheit für Deutungen und Bedeutungszuschreibungen der involvierten Akteur_innen, die über Akzeptanz, Adaption, Durchführbarkeit und Wirksamkeit hinausgeht. Diese ethnografische Studie fragt danach, wie sich in der WzT die Transformation der generativen Erzählungen vom mündlichen Patient_inneninterview zum geschriebenen und gelesenen Generativitätsdokument gestaltet und wie die involvierten Akteur_innen die transformierenden Praktiken deuten. Um dem Geschehen in der WzT strukturiert zu folgen, orientiere ich mich an den sieben Hauptpraktiken (Anbieten – Interviewen und Erzählen – Transkribieren – Editieren – Vorlesen – Übergeben – Lesen und Besitzen). Die Analyse basiert auf einem vorempirischen Verständnisses des entstehenden Generativitätsdokuments. Dieses betrachte ich in seiner Entstehung als multidimensionales Gefüge, das Materialität und Medialität, Sprache und Narration sowie Körper und Leib vereint.
Die triangolatorische Datenerhebung im Rahmen des ethnografischen Ansatzes erfolgte auf drei deutschen Palliativstationen und setzt sich aus problemzentrierten Interviews mit den involvierten Akteur_innen, informellen Gesprächen, teilnehmender Beobachtung und einem Textvergleich von Transkriptionen und editierten Generativitätsdokumenten zusammen.
Durch die Beschreibung der WzT in ihrer Prozesshaftigkeit und die Sichtbarmachung von Deutung und Bedeutungszuschreibung der involvierten Akteur_innen bietet die Studie ein Fundament für eine kritische Reflexion professionellen Handelns innerhalb der WzT. Zudem eröffnet sie als Grundlagenforschung das Feld für weiterführende Forschung rund um die ethische Dimension einer ko-konstruierten Hinterlassenschaft in Form einer Erzählung am Lebensende. Nicht zuletzt ist die Studie ein Beispiel für das Potential ethnografischer Interventionsforschung und interdisziplinärer Ansätze in der Untersuchung palliativer Praktiken.
Paarintervention zur Förderung der Trauerbewältigung und Forschung zu vermittelnden neuroendokrinen Mechanismen (NeTT-Studie)
Die letale Erkrankung des Partners stellt nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für die Partnerschaft eine Herausforderung dar. Der Verlust des Partners kann anhaltende Trauerreaktionen mit heftigen psychischen Symptomen auslösen, welche sich sogar als diagnostizierbare psychische Störung manifestieren können. Daher sind nicht nur für Todkranke wirksame psychotherapeutische Interventionen notwendig, sondern auch für ihre Partner. Insbesondere Interventionen, die den Partner in den Prozess des Versterbens einbeziehen, können hilfreich sein.
Mehr zu dieser Studie finden Sie auf der Webseite des Projektes.
Als Wissenschaftler/-in sind Sie herzlich eingeladen, Ihre Projekte zu teilen oder neue Ideen und Ergebnisse hier bekannt zu geben. Bitte senden Sie dazu gerne eine Nachricht. Auch wenn Sie Forschungspartner/-innen suchen, bauen wir gern untereinander ein Netzwerk auf und vermitteln bereits bestehende Kontakte.